Was sind Faszien?

Faszien waren lange nur unter dem Begriff Bindegwebe bekannt und spielten als „Verpackungsmaterial“ eher eine untergeordnete Rolle. Doch mittlerweile lassen neue Wissenschaftliche Erkenntnisse darauf schließen, dass dieses als Verpackungsmaterial betrachtete Gewebe sehr wichtige Funktionen in unserem Körper hat, die bisher nicht beachtet oder anderen Strukturen zugeschrieben wurden. Neue Bildgebende verfahren wie die funktionelle Magnetresonanztomographie geben Einblicke in die Strukturen und Zusammenhänge preis, die bisher nur durch klassische oder historische Untersuchungsmethoden, wie z.B das Sezieren, erklärt werden konnten.

Osteopathen, Rolfer und Manualtherapeuten nutzen schon sehr lange Techniken mit denen sie gezielt Einfluss auf das Bindegewebe nehmen. Dieses Konzept wird auch in den Bewegungswissenschaften sichtbar mit dem immer größer werdenden Einzug des funktionellen Trainings. Hier werden die bisher isoliert betrachteten Systeme wie Kraft, Ausdauer oder Koordination und deren komplexen Zusammenhänge in den Vordergrund gestellt. Immer deutlicher wird das unser Körper ein sehr komplexes System ist und viele Funktionen voneinander abhängig sind. Dessen waren sich östliche Kulturkreise schon lange Bewusst jedoch kann dies erst jetzt wissenschaftlich begründet werden. Mit diesen neuen Wissen ist klar geworden, dass durch geeignete Bewegungsbelastungen die Architektur unseres körperweiten Fasziennetzes gezielt verändert werden kann. Faszien sind trainierbar!

Struktur von Faszien

Faszien bestehen aus Wasser, Kollagen (Eiweiß) und verschiedenen Klebstoffen, die sich zu Strängen, Taschen und Umhüllungen verweben. Die Anpassungsfähigkeit des Bindegewebes ist unglaublich und die Zellen so aktiv, dass es sich innerhalb von 6 Monaten vollständig erneuern kann. Die Beschaffenheit wird sehr stark durch die täglichen Anforderungen bestimmt und so kommt es zu unterschiedlichen Längen, Stärken, Gleitfähig- und Reißfestigkeiten, somit können Organe leicht verschoben und Muskeln geschmeidig bewegt werden.

Aufgrund der ausgeprägten Fähigkeit Wasser zu binden dienen die Faszien auch als wichtiger körpereigener Wasserspeicher. Dennoch ist Flüssigkeit auch ein enorm wichtiger Bestandteil der Faszie und wirkt sich unmittelbar auf deren Funktionalität aus. Einseitige oder zu hohe Belastungen sowie Bewegungsmangel führen zur Entwässerung des Gewebes und die Elastizität geht verloren. In folge dessen sinkt auch die Belastungs- und Regenerationsfähigkeit der Faszie.

Außerdem sind die Faszien an Aufgaben des Immunsystems beteiligt, indem sie als Barriere Fremdkörpern das eindringen erheblich erschwert und die sogenannten Fresszellen beherbergt, die Mikroorganismen und Gewebetrümmer enzymatisch auflösen können.

Faszien ordnen sich ein einer Scherengitterstruktur an, die für eine optimale Funktionalität sorgt. Denn in der Gitteranordnung ist die Faszie extrem Reißfest und Dehnbar ohne anfällig für strukturelle Verletzungen zu sein. Bei einer zu geringen, einseitigen oder zu intensiven Nutzung lässt die Funktionalität nach weil die Gitterstruktur „verklebt“. Durch das Fasziengewebe führen Blut- und Lymphgefässe durch die Nährstoffe zu den Zellen hin und Stoffwechselabfälle als auch Schadstoffe von den Zellen weg transportiert werden. Ein guter Lymphfluss kann nur durch Muskelbewegungen in Gang gehalten werden und ist somit vom Aktivitätsgrad der Muskeln abhängig. Wenn durch länger anhaltende Einschränkungen (z.B. Verspannungen im Rücken) die Muskelaktivität sinkt wird der Lymphfluss gehemmt. In der Folge wird der Blutgerinnungsfaktor Fibrinogen, der normalerweise in gelöster Form in den Lymphen ist, nicht abtransportiert und reichert sich im Gewebe an. Dort wird es unter Einfluss anderer Substanzen zu Fibrin abgebaut, das ein körpereigener Klebstoff ist und zum Verschliessen von Wunden genutzt wird. Da aber keine Wunde vorhanden ist verklebt das Fibrin stattdessen das umliegende Fasziengewebe. So wachsen die Fasern ineinander, verfilzen und statt der üblichen Scherengitterstrukur sehen die Fasern dann wie ein verknotetes Wollknäuel aus. Optimale Strukturen findet man, aufgrund des Flüssigkeitshaushalts und dem Grad an Bewegung, häufiger bei jungen und trainierten Menschen als bei älteren oder untrainierten.

e88RCZm_ttPURwKgMDHmbybNSpxdTjXcz0zko4_jgh0Außerdem sorgen Faszien dafür, dass unterschiedliche Strukturen wie Knochen, Muskeln und Organe miteinander verbunden sind und alles an seinem Platz bleibt. Würde man alle eben genannten Strukturen aus dem Körper entfernen ohne die Faszien zu beschädigen, könnte man trotzdem jede Struktur des Körpers erkennen weil die Hülle noch sichtbar ist. So werden Muskeln, Knochen, Gefäße und Nerven erst durch das Fasziengewebe zu einem zusammenhängenden Organismus. Sollten Strukturen des Körpers verletzt oder beschädigt werden, bildet sich neues Bindegewebe um die entstandene Lücke zu schließen.

Obwohl die Faszien alles an Ort und stelle halten, bieten sie die Möglichkeit bei Bedarf die festgelegte Position zu verschieben. Das ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt in der Lage sind du Atmen oder zu Verdauen.

Wenn wir einatmen und die Lunge sich ausdehnt, können die Organe im Bauchraum nach unten verschoben werden ohne sich in ihrer Funktion gegenseitig einzuschränken.

Wir können die Faszien in folgende 3 Gruppen einteilen

Oberflächliche Faszien

Sie liegen im Unterhautgewebe und zeichnen sich durch ihre Lockerheit aus und ermöglichen die Verschiebbarkeit der Organe. Diese werden durch sie verbunden und sie sind in der Lage viel Wasser und Fett zu speichern und dienen als Puffermaterial.

Tiefe Faszien

Sie besitzen am meisten Fasern und umschließen jeden einzelnen Muskel, Knochen und Gelenke. Innerhalb der Muskeln trennen sie zudem die einzelnen Muskelfasern voneinander ab und verhindern das diese aneinander reiben. Sehnenplatten, Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln werden auch den tiefen Faszien zugeordnet. Sie besitzen zahlreiche sensorische Rezeptoren, welche auf mechanische Reize oder Temperaturschwankungen reagieren und so ein wichtiges Sinnesorgan darstellen. Zusätzlich sind die tiefen Faszien mit den peripheren Nervenenden durchzogen und weißen deshalb eine hohe Anzahl an Schmerzrezeptoren auf, die unmittelbar auf Verletzungen der Faszien oder Nerven reagieren.

Viszerale Faszien

Sie umschließen unsere inneren Organe zum Schutz mit einer doppelten Schicht und dienen zur Aufhängung und Einbettung. Zu ihnen zählen z.B. die Hirnhaut, der Herzbeutel und das Brust- und Bauchfell.

Faszien als Überträger von Kräften

GARAHppXXb4ul0Pa9hwQQ6khESCcIiElsCZXxasY23INormalerweise unterteilt man den Bewegungsapparat in einen passiven (Knochen, Knorpel, Sehnen, Bänder) und einen aktiven (Muskulatur) Teil, die klar voneinander abgetrennt sind. Jedoch sind nach dem heutigen Erkenntnisstand die Übergänge fließender und komplexer als angenommen. Im Muskel wird die Energie bereitgestellt, um Muskelkontraktionen zu erzeugen. Diese Kräfte müssen dann auf die Knochen bzw. das Skelettsystem übertragen werden, um die Gelenke zu bewegen und letztlich unseren Körper zu bewegen. Die Verbindung zwischen Knochen und Muskel wird mit Faszien hergestellt, indem sie sich in einer bestimmen Form am Knochen befestigen. Diese bestimmte Form bezeichnen wir als Sehnen, folglich sind alle Sehnen gleichzeitig Faszien. Aber auch alle gelenkstabilisierenden Bänder, wie z.B. die Kreuzbänder in unserem Knie die dafür sorgen, dass das Gelenk in seinen angedachten Bewegungsformen verläuft, sind Faszien. Faszien sind also als Übertrager von Kräften auf unser Skelett sehr stark an aktiven Bewegungen beteiligt und somit auch häufig von Beschwerden betroffen. Neben der reinen Kraftübertragung auf ein Gelenk ist es noch sehr viel wichtiger, dass die Faszie für eine flächenförmige Verteilung der Kräfte und ein gutes Spannungsnetzwerk sorgt. Diese Spannungswirkung ist sehr komplex und kann je nach Fitnesslevel gut oder weniger gut koordiniert sein.

Faszien als Speicher von Kräften

zs5oGHaLm3UtdOaR2-jp9vqZldhpGMpuTSZXg8dECz4Ein beachtlicher Teil der Energie für Bewegungen kann aus den Fähigkeiten der Faszien kommen. Denn sie können ähnlich wie eine Sprungfeder Energie speichern und katapultartig wieder frei setzten. Diese Fähigkeit Energie zu speichern kennt man in der Trainingswissenschaft zwar als Reaktivkraft, wurde aber wenig beachtet und oftmals nur zufällig mittrainiert. Bei gut trainierten Personen nimmt bei federnden Bewegungen der Anteil aktiver Muskelarbeit ab und der Anteil kollagener Federung durch die Faszien nimmt zu. Auf diese Weise wird auch weniger Energie benötigt, was die Arbeit über Faszien z.B. beim Laufen noch sinnvoller macht.

Faszien als Ort von Beschwerden und Schmerzen

Y1PXsS1OwlC0Zu8ojrGWf7FjucsT-SGZ5gAbl-vZ6lMWie wir jetzt Wissen spielen Faszien bei Bewegungen eine sehr wichtige Rolle und sie werden bei sportlicher Aktivität intensiv beansprucht. Deshalb können viele bekannte Beschwerden die bei sportlichen Aktivitäten auftreten im Fasziensystem lokalisiert werden. Meistens treten die Beschwerden aufgrund von Überbelastungen, einseitiges Arbeiten oder Fehlbelastungen des Bewegungsapparats auf. Je nach Nutzung können Faszien verschiedene Formen und Beschaffenheiten annehmen und weil ca. 80% der Schmerzrezeptoren in den Faszien auslaufen ist dieses Gewebe sehr sensitiv. Also sollte der Fokus darauf liegen ein elastisches, widerstandsfähiges und geschmeidiges Fasziensystem zu haben, um den bestmöglichen Schutz gegen Beschwerden aufzubauen.

Faszien als Ort der Wahrnehmung

Neben der Eigenschaft Schmerzen wahrzunehmen sind Faszien auch sehr stark in der Wahrnehmung von Spannungsempfindungen der Muskulatur und Gelenkpositionen integriert. Früher wurde diese Aufgabe nur den Muskeln- und Gelenkrezeptoren zugeordnet, aber in den Faszien sind wesentlich mehr Sinnesrezeptoren zu finden die das Nervensystem mit Informationen versorgen. Das besondere dabei ist, dass es dem Fasziensystem möglich ist die Informationen von einzelnen Gelenken und Muskeln mit denen von benachbarten Gelenken und Muskeln zu kombinieren. Denn Faszien sind in kompletten Zuglinien eingebettet, die weite Teile des Körpers miteinander verbinden. Somit dient das Fasziensystem als Sinnesorgan für die Steuerung und Wahrnehmung unsere Körpers in Ruhe und Bewegung. Deswegen ist es in der Lage uns ein angenehmes oder unangenehmes Körpergefühl zu vermitteln. Schmerzen und Spannungen sowie ein angenehmes Körpergefühl werden also im Fasziensystem parallel wahrgenommen, wobei dominante Meldungen nie gleichzeitig gesendet werden. Wenn sich diese Wahrnehmungen gegenseitig verdrängen können, ergibt sich der Schluss, dass eine gut ausgebildete Körperwahrnehmung den besten Schutz gegen Schmerzen darstellt.

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